Michael Bartoszek und Annemarie Cordes: "Von Kreisau über Berlin nach Europa"
Die Festschrift der Kreisau-Initiative zum 30-jährigen Jubiläum 2019 ist keine historiografische Studie, sondern ein Geschichts- und Geschichtenbuch mit Beiträgen langjähriger WegbegleiterInnen und MitarbeiterInnen des Neuen Kreisau (Dr. Michael Bartoszek, Annemarie Cordes, Prof. Dr. Waldemar Czachur, Ole Jantschek, Nina Lüders, Klaus Prestele, Daniel Wunderer und Dr. Agniezska Kuhnke von Zanthier). Der Beitrag von Annemarie Cordes kann im FvMS-Jahresbericht 2019 als gekürzte Fassung nachgelesen werden. Die Festschrift enthält zahlreiche Kreisauer Illustrationen von Anna Larina-Dzimira sowie Arbeiten von KünstlerInnen, die im Rahmen des Kreisauer Kunstsommers entstanden sind.
Die Festschrift kann bei der Kreisau-Initiative bestellt werden - gerne gegen eine freiwillige Spende für die Herstellungskosten.
Prof. Waldemar Czachur und Dr. Gregor Feindt: "Kreisau|Krzyżowa 1945 - 1989 - 2019"
Der zweisprachige Titel - mit einer Übersetzung von Jacek Dąbrowski - ist in der Reihe „Zeitbilder“ der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen. Zum 30-jährigen Jubiläum der deutsch-polnischen Versöhnungsmesse setzt das Buch der facettenreichen Geschichte dieses kleinen Ortes ein Denkmal: „Das Dorf Kreisau in Niederschlesien hat eine deutsche Geschichte, eine polnische Gegenwart und einen europäischen Horizont. Waldemar Czachur und Gregor Feindt zeichnen seine wachsende Bedeutung für die deutsch-polnischen Beziehungen und die Entstehung der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung nach.“
Bonn 2019, 248 S., gebunden ISBN: 978-3-7425-0472-2
Das Buch kann über den Online-Shop der bpb unter der Bestellnummer 10472 bezogen werden.
Annemarie Franke: "Das neue Kreisau. Die Entstehungsgeschichte der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung 1989-1998"
Das Buch erscheint zugleich in polnischer Sprache in der Reihe des Willy Brandt Zentrums für Deutschland- und Europastudien der Universität Wrocław. „Das Annus mirabilis erwies sich für Kreisau doppelt glücklich: Erst die Vorbehalte der polnischen Regierung gegenüber der Messe am St. Annaberg und die Wahl Kreisaus (…) machten aus dem Gut der Moltkes eine Ikone der deutschpolnischen Versöhnung. Die Autorin kennt diese Geschichte bestens, beschreibt sie u.a. auf Grundlage von Archivalien der Bonner und Warschauer Außenministerien. Sie behandelt sie allerdings nur als Einleitung zur eigentlichenErzählung, in der die Politiker und Behörden in Bonn, Warschau und Berlin (…) eine wichtige Rolle spielen, allerdings nicht die Hauptrolle. Franke widmet weitaus mehr Raum den NGOs – vor allem ihren Akteuren, obwohl sie die kulturellen Unterschiede, de facto bezogen auf die Institutionen, nicht vernachlässigt – und ihren Handlungsformen, Interaktionen, den Ursachen ihrer phasenweisen Niederlagen und des finalen Sieges. Diese Geschichte beginnt in den Arbeitszimmern der Historiker viel früher (…), kristallisiert und verdichtet sich, mobilisiert sich gegenseitig in privaten Wohnungen, Vereins- und Redaktionslokalen in der BRD und DDR, PRL und USA, den Niederlanden und Kanada, vor allem in den 1980er Jahren. Besonders wertvoll erscheint mir im ersten Kapitel die Dokumentation des bisher wenig bekannten Beitrags junger DDR-Dissidenten (die Rolle Ludwig Mehlhorns ist seit langem bekannt), wie zum Beispiel des damaligen Studenten Stephan Steinlein in den Jahren 1988 und 1989. Die Autorin hat sowohl umfangreiche private Archive als auch (…) Zeitzeugenberichte genutzt. Ihr Wert ist insbesondere für die frühen hier analysierten Jahre nicht zu unterschätzen – das Bild, dass sich aus den Akten und Materialien erschließt, die in öffentlichen Archiven versammelt sind, enthält gezwungenermaßen nur einige Elemente der Gesamtheit, die im großen Maße durch für die Behörden unsichtbare Aktivitäten aus der Gesellschaft heraus (von unten) gestaltet worden sind.“
(aus dem Gutachten von Prof. Dr. Włodzimierz Borodziej, Historisches Institut der Universität Warschau)
erschienen in der Schriftenreihe der Forschungsgemeinschaft 20. Juli e.V., Bd. 22, Augsburg 2017, ISBN: 978-3-95786-105-4
Taschenbuch, 380 Seiten, 34,90 €
Rezensionen:
Symbol der Aussöhnung - Der schwierige Weg zur internationalen Begegnungsstätte Kreisau
(FAZ, Rezension von Christoph Klessmann, 26.03.2018)
Krzysztof Ruchniewicz: "KREISAU neu gelesen"
Rezension von Birgit Gantz-Rathmann
In diesem Jahr war ich zum ersten Mal in Krzyżowa. Ich hatte vorher viel über die Familie Moltke, den Kreisauer Kreis gelesen, über die polnische Sichtweise wusste ich weniger. Deswegen war ich begeistert, als ich den Band „KREISAU neu gelesen“ von Krzystof Ruchniewicz entdeckte. Er ist in diesem Jahr im Neisse Verlag erschienen. Er enthält Aufsätze, die Ruchniewicz, ein polnischer Historiker, innerhalb von 20 Jahren zum Thema Kreisau geschrieben hat. Viele der hier veröffentlichten Aufsätze sind zuvor in wissenschaftlichen Publikationen erschienen. Ruchniewicz hat die Aufsätze für diese Veröffentlichung, die zunächst in polnischer Sprache erfolgte, noch einmal überarbeitet. Es ist ein Gewinn, dass die Publikation jetzt in deutscher Übersetzung vorliegt.
„Kreisau, gibt es den Ort wirklich?“ werden sich viele Deutsche fragen. Kreisauer Kreis, das kennt man eher. Es war ein Kreis von Nazigegnern um Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg, der ca. 20 weitere Personen umfasste. Sie erarbeiteten Entwürfe für die Zukunft Deutschlands und Europas nach dem Fall des NS-Regimes. Die Gruppe traf sich häufig in Berlin, aber drei wichtige Treffen fanden in Kreisau statt, daher der Name. Andere verbinden mit dem Gutsgelände Kreisau den Feldmarschall Helmuth von Moltke. Helmuth von Moltke hatte das Gut 1867 gekauft. Er wollte hier einen Familiensitz errichten. Über seine Aktivitäten in Kreisau, die Ausstattung des Schlosses (Bilder, Wandmalereien, Glocke und Kanonen) berichtet Ruchniewicz in einem der Essays.
Heute liegt Kreisau in Polen und heißt Krzyżowa. Wenn Polen überhaupt etwas mit der kleinen Ortschaft verbinden, dann nicht die Geschichte der Familie von Moltke. Ihnen ist der Ort bekannt durch die dort abgehaltene Versöhnungsmesse am 12. November 1989. Krzyżowa ist heute eine internationale Jugendbegegnungsstätte und damit ein wichtiges Symbol für die deutsch-polnische Versöhnung. Es steht aber auch interessierten Einzelreisenden offen.
In dem Band befasst sich Ruchniewicz mit drei Themenkreisen: das ist erstens die Familie von Moltke, zweitens der deutsche Widerstand gegen den Nationalsozialismus und insbesondere der Kreisauer Kreis und drittens die Entstehungsgeschichte der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung.
Ruchniewicz war das erste Mal in Krzyżowa als Student, und zwar im Rahmen einer vom Club der katholischen Intelligenz 1989 abgehaltenen Konferenz mit dem Titel „Christ in der Gesellschaft“. Teilnehmer dieser Konferenz – Wissenschaftler, Journalisten, in Sachen Kreisau engagierte Persönlichkeiten – waren international, sie kamen aus Polen, den beiden deutschen Staaten, den Niederlanden und der USA. Ruchniewicz schildert in seinem Aufsatz „Christ in der Gesellschaft“ sehr anschaulich, wie in dieser Konferenz die Grundlagen für den Erhalt des damals sehr heruntergekommenen Gutes und die Grundlagen für die Errichtung der Stiftung gesetzt wurden. Interessant ist, dass holländische und amerikanische Wissenschaftler die Treiber in diesem Prozess waren. Kleine Porträts schildern in Beiträgen einige dieser Persönlichkeiten, wie Karol Jonca, Ger van Roon, Ludwig Mehlhorn.
Die Ideen aus dieser Konferenz erhielten durch die im November 1989 gehaltene Versöhnungsmesse, bei der Bundeskanzler Kohl und Ministerpräsident Mazowiecki teilgenommen haben, einen großen Schub. Die Hintergründe dieser Versöhnungsmesse und warum gerade Krzyżowa gewählt wurde, warum Freya von Moltke, die Witwe des 1945 hingerichteten Helmuth James von Moltke, an dieser Versöhnungsmesse nicht teilnahm und auch anderen Familienmitgliedern dringend davon abriet, die Einladung von Kanzler Kohl anzunehmen, werden in einem weiteren Beitrag geschildert. Auch in dem Aufsatz „Die Widerständler hatten die eigene Bevölkerung gegen sich“ wird die deutsche Opposition und die Auseinandersetzung damit in Polen, der Bundesrepublik Deutschland und der DDR nach Beendigung des 2. Weltkrieges aufgearbeitet. Auch für Nichthistoriker ist es interessant zu erfahren, wie lange es dauerte, bis sich polnische und westdeutsche Historiker auf eine gemeinsame Terminologie im Umgang mit der Thematik einigen konnten, welche Rolle die polnischen katholischen Bischöfe spielten und das es schon 1977 eine Deutsch-Polnische Schulbuchkommission gab.
Kritisch setzt sich Ruchniewicz mit der Ausstellung “Mut und Versöhnung“ auseinander, die man sich in Krzyżowa ansehen kann. Diese Ausstellung wurde zum 25. Jahrestag der Versöhnungsmesse konzipiert. Sie wurde 2014 in Anwesenheit von Ministerpräsidentin Ewa Kopacz und Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet. Die Ausstellung verbindet drei thematische Bereiche: den zweiten Weltkrieg, den deutsch-polnischen Dialog und stellt Persönlichkeiten, die die deutsch-polnische Versöhnung repräsentieren vor, außerdem gibt es ein Diskussionsforum hinter der Ausstellung, in dem verschiedene Künstler sich mit der Thematik auseinandersetzen.
Diesen Aufsatz habe ich nach dem Besuch der Ausstellung mit großem Gewinn gelesen, noch besser wäre es gewesen, ich hätte ihn schon vorher gekannt. Der kleine Band mit seinen vielen Illustrationen (Fotografien der Familie von Moltke, dem Gut früher und heute) ist eine Fundgrube für alle, die sich mit polnischer und deutscher Geschichte auseinandersetzen möchten. Auch wenn die Aufsätze zunächst in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht wurden, sind sie leicht lesbar.
Ich kann diesen Band uneingeschränkt empfehlen, zur Vorbereitung auf die Reise nach Krzyżowa oder als Nachlese. Er gibt Einblicke in die polnische Geschichte, gibt wichtige Anstöße zur Reflexion der gemeinsamen Geschichte von Polen und Deutschland. Neben der Auseinandersetzung mit der Frage der Opposition gegen den Nationalsozialismus und der Widerstandsbewegung in Polen gibt der Band auch lebendige Eindrücke in das damalige Leben, beispielsweise darüber, wie komfortabel und erstaunlich kurz die Reise mit dem Zug von Berlin nach Kreisau schon 1914 war. Heute ist das leider anders. Ich wünsche dem Band viele Leser. Für die, die dann noch mehr wissen wollen, gibt es am Ende eine Zusammenstellung weiterer Publikationen in deutscher Sprache über Kreisau, die Familie von Moltke, die deutsche Opposition gegen den Nationalsozialismus und die Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung.
Krzysztof Ruchniewicz (2018): KREISAU neu gelesen. Franke, Annemarie (Nachwort) / Stekel, Sabine (aus dem Polnischen übersetzt)
erschienen im Neisse Verlag, Dresden 2018, 156 Seiten, ISBN: 978-3-86276-249-1, 14,00 €
Das Original erschien unter dem Titel Krzyżowa ponownie (od)czytana bei Atut, Wrocław 2017