Manfred Overesch: "Gott, die Liebe und der Galgen. Helmuth J. und Freya von Moltke in ihren letzten Gesprächen 1944/45. Ein Essay"

Buchcover Manfred Overesch

Die „Abschiedsbriefe“ von Helmuth James und Freya v. Moltke sind für Manfred Overesch ein „Hohelied der Gattenliebe und der Glaubenstiefe“. Sein 156 Seiten langen Essay, das er seinem Enkel widmet, ist eine sehr per­sönliche Inter­pre­tation der Briefe aus dem Tegler Gefängnis, die er gleichsam in den historischen Kontext stellt. Er geht den Lektüren des Häftlings Moltke nach, von der Verhaftung im

Januar 1944 über die Haft in Ravensbrück bis nach Tegel, ganz detailliert seine Bibellektüre in den letzten Monaten. Er beschreibt die Haftbedin­gun­gen und führt dem Leser die Beengtheit und Kälte der Zelle, aber auch die „Kappung der Seinsbezüge“ des Häftlings bildhaft vor Augen. Er stellt Parallelen zu dem zur selben Zeit inhaftierten und nur etwas später ermordeten Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer her. „Von Guten Mächten treu und still umgeben“ – schreibt Bonhoeffer am 19. Dezember 1944 an seine Verlobte Maria Wedemeier aus dem Gestapogefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin, während Moltke von Tegel aus in seinem Brief an Freya überlegt, wie das geistige Erbe des Widerstandes in der Zukunft wahrgenommen werden wird. Am selben Tag „geht das Dritte Reich (…) symbolisch mit seinem Schiff ‚Schleswig-Holstein‘ unter“ – demselben, dessen Schüsse auf die Danziger Wester­platte am 1. September 1939 den Zweiten Weltkrieg eröffneten, kommentiert der Autor.

Am spannendsten ist das Buch freilich dort, wo sich Overesch mit dem Werdegang der „treuen politischen Soldaten Hitlers“ beschäftigt: Mit dem berüchtigten Präsidenten des Volksgerichtshofes Roland Freisler, der über Moltke und andere Kreisauer das Urteil sprach, und dem Henker vom Plötzensee, Willy Röttger, der in den Verurteilten nur „Figuren“ sah, wie Moltke in einem seiner Briefe schrieb. Diesem Teil des Buches merkt man an, dass der Autor dafür Archivbestände erschlossen hat, die noch nicht so weit aufgearbeitet waren.

Trotz einiger Ungenauigkeit in den Angaben – ein auf jeden Fall ein lesenswertes Buch, und zwar nicht nur für Enkelkinder. 

(Dr. Agnieszka v. Zanthier)

erschienen im Georg Olms Verlag, Hildesheim 2015, 160 Seiten, ISBN: 978-3-487-08552-4

12,99 €

Klaus Philippi: "Max Josef Metzger – Graf Helmuth James von Moltke: Zwei Opfer des Nationalsozialismus. Eine Gegenüberstellung."

Buchcover Max Josef Metzger

Nach seiner Doktorarbeit zur Genese des Kreisauer Kreises vergleicht in einer 2012 erschienenen Arbeit der Historiker Dr. Klaus Philippi das widerständige Engagement für eine Neuordnung Deutschlands und Europas von Helmuth James von Moltke und von dem Freiburger katholischen Priester Max Josef Metzger miteinander. Sie kannten sich nicht, wussten aber vielleicht voneinander, da sie sich teilweise in ähnlichen Kreisen bewegten. Beide wurden im Zusammenhang mit dem Berliner Solf-Kreis verhaftet, beide vom Volksgerichtshof unter Freisler zum Tode verurteilt und im Abstand von knapp 9 Monaten hingerichtet: Metzger am 17. April 1943, Moltke am 23. Januar 1945. Beide pflegten Kontakte nach Schweden und England, beiden lag die Ökumene am Herzen: Während Moltke in der Haft die Ökumene mit seinen ebenso verhafteten Mitstreitern und Freunden lebte, arbeitete Metzger aktiv für die Einheit der christlichen Kirchen. Metzger gehörte 1919 zu den Mitbegründern des Friedensbundes Deutscher Katholiken, Vorläufer der heutigen internationalen katholischen Friedensorganisation Pax Christi. Beide beschäftigte die Frage nach der Zukunft Deutschlands und Europas nach dem Fall des Nationalsozialismus. Während aber Moltkes Planungen zur Neuordnung letzten Endes ein Ergebnis intensiver Beratungen des „Kreisauer Kreises“ sind, war Metzger mit seinem „Nordland-Manifest“ weitgehend ein Einzelkämpfer. Entsprechend sind auch seine Planungen für den Tag X nicht so ausführlich und detailliert wie die des Kreisauer Kreises.

Zwar bescheinigt der Autor in seinem Resumee dem älteren der beiden, Metzger (geb. 1887), er sei erstaunlich unpolitisch gewesen und eher ein Prophet als ein „Widerständler“. Der Vergleich aber, in dem die Motivationen, Haltungen und geistigen Veranlagungen der beiden Protagonisten, ihr  Verhältnis zum Staatsstreich und Attentat und ihre Planungen für die Zukunft einbezogen sind, erweist sich nicht nur als Beitrag zum christlichen Widerstand als fruchtbar, sondern trägt zur Erweiterung der Betrachtungsperspektive und weiterer Verortung des Kreisauer Kreises innerhalb der widerständigen Strömungen der Zeit bei.

Gebunden, 219 S. 
Verlag:  epubli  GmbH, Berlin / Stuttgart 2012
ISBN: 9783844237177
21,99 €


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