Icon von Facebook

Kreisau-Reise 2017

Mitte September reisten wir mit ca. 45 Teilnehmer*innen nach Kreisau. Auch in diesem Jahr haben wir auf unserer traditionsreichen Reise intensive Tage gemeinsam verbracht und uns Gedanken über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Erinnerung an den Widerstand sowie zur Verfassung Europas gemacht. Auf der Fahrt nach Krzyżowa/Kreisau besuchten wir die Friedenskirchen in Jawor/Jauer und Świdnica/Schweidnitz und gleich am ersten Abend diskutierten wir mit Dr. Robert Żurek, dem neuen Vorstandsmitglied der Stiftung Kreisau und dem Journalisten und Publizisten Adam Krzemiń­ski über Polens Entwicklungen im europäischen Kontext. Die von der rechtskonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ins Leben gerufene und hochgradig umstrittene „gute Wende“, die seit dem Herbst 2015 gegen alle demokratische Gepflogenheiten durchgesetzt wird sowie die Rolle der Kirchen waren Schwerpunkte der Diskussion.In Wroc­ław/Breslau konnten wir mit einem Blick zurück in die Geschichte der Stadt diese Fragen bei Führungen von Renata Bardzik-Miłosz, die seit Jahren unsere Gäste begeistert und Magdalena Maruck weiterverfolgen. 

Einen Tag haben wir einer intensiven inhaltlichen Auseinandersetzung gewidmet. Sie betraf zum einen den Kreisauer Kreis und das Neue Kreisau, zum anderen aktuelle Fragen der Geschichts­­politik. In verschiedenen the­ma­tischen Führungen haben wir zunächst Kreisau selbst erkundet und uns später im Schloss zu zwei Diskussionsrunden zusammengefunden: Dr. Liane Bednarz lieferte einen überaus kenntnisreichen und sehr engagieren Vortrag über die Neue Rechte in Deutschland und ihre Rezeption des Widerstands. Die Idee, die­ses Thema inhaltlich aufzugreifen, lag nahe angesichts des Erstarkens rechtspopulistischer und neurechter Bewegungen sowie der Beobachtung, dass sie für sich den Begriff 'Widerstand' beanspruchen und ins­besondere den Widerstand gegen den Nationalsozialismus für ihre Zwecke missbrauchen. Beispielsweise wird auf Pegida-Demon­stra­tionen die sog. Wirmer-Flagge geschwenkt; die AfD wirbt mit dem Slogan „Sophie Scholl würde AfD wählen“ und sieht sich in der Tradition des „ehrlichen, wahren Patriotismus“ von Stauffenberg. Dieses neurechte Narrativ über den Widerstand war Anlass zu lebhaften Diskussionen mit Frau Bednarz, auch weit über ihren Vortrag hinaus. Die Juristin und Publizistin ist Kennerin der Neuen Rechten und schreibt aus konservativer Perspektive über das Thema für verschiedene Zeitungen und in den sozialen Medien. 

Daran anschließend sprach Dr. Brigitte Kather über die Ergebnisse ihrer über zehnjährigen Untersuchung, wie sich Jugendprojekte über den Widerstand langfristig auf die Curricula der jungen Menschen auswirken. Dazu nutzte sie die Erfahrung von zwei Projekten, die sie selbst u.a. in Kreisau durchgeführt hat. Frau Kather war langjährige Mitarbeiterin der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und ist als Schulleiterin, Dozentin und Beraterin für demokratische Schulentwicklung tätig. Mit ihr, Dominik Kretschmann (Gedenkstätte Kreisau) und Henning Zeidler, Lehrer an der Deutschen Schule Las Palmas (Gran Canaria), dessen Geschichtskurs gerade mit einer polnischen Partnerschule zu einer Projektwoche in Kreisau war, diskutierten wir darüber, wie der Widerstand in Jugendbegegnungen erinnert und vermittelt werden kann und wie nachhaltig solche Bildungsprojekte sind. Eine besondere Bereicherung auf dem Podium war Leo Lee, ein ehemaliger Schüler der Referentin, der auf eine erfrischende Weise über die Jugendbegegnungen berichtete sowie darüber, wie diese ihn bis heute prägen.

Ein Höhepunkt unserer Reise war ein Nachmittag im Berghaus, an dem Helmuth Caspar von Moltke aus dem Brief seines Vaters an ihn und seinen Bruder vorgelesen hat, der in der Haft geschrieben wurde. Im Anschluss sahen wir dank dem Entgegenkommen der Autoren, Antje Starost und Hans Helmut Grothjan, den Dokumentarfilm „Geschichte einer Liebe – Freya“ und sprachen mit Herrn von Moltke darüber.Nach einer von Andrea von Wiedebach und Christine von Arnim vorbereiteten Morgenandacht verabschiedeten wir uns von Kreisau und fuhren ins Hirschberger Tal. Das im 18. und 19. Jahrhundert als Sommerfrische des preußischen und europäischen Hochadels bekannte Tal präsentierte sich bei schön­stem Herbstwetter von seiner besten Seite. Drei der unzähligen Schlösser und Herrenhäuser und der dazugehörigen Parkanlagen konnten sich unsere Gäste ansehen, und wir hoffen, einige von ihnen zu eigenständigen Erkundungs­reisen durch diese wunderbare Kulturlandschaft inspiriert zu haben. Ein besonderes Glück war die Expertise unserer Reiseteilnehmerin Urte von Berg, die uns auf eine historische Reise in die Zeit von Friederike von Reden (1774-1854) mitnahm, die aufgrund ihres sozialen Engagements „Mutter des Hirschberger Tals“ genannt wurde. U.a. ist ihr die Ansiedlung einer beachtlichen Gruppe Protestanten im Hirschberger Tal zu verdanken, die von den Habsburgern aus dem Tiroler Zillertal vertrieben worden waren. Im März 2018 erscheint Urte von Bergs Buch „Die Redens in Buchwald im Hirschberger Tal“ im Wallstein Verlag, das wir Ihnen sehr empfehlen.

"Kreisau ist ein Ort an dem unterschiedliche Menschen zusammenkommen um sich auszutauschen und zu verständigen. Das Wissen, wie wichtig gegenseitiges Verständnis ist, nehme ich in Kreisau stets wahr." (Dr. Sebastian Dreier-Schmidt, Teilnehmer & Junger Stifter)

"Bemerkenswert erscheint mir, dass es bei grundsätzlich ähnlicher Programmstruktur der Kreisau-Reisen immer wieder gelingt, neue Themen und Betrachtungsweisen zu finden. Toll!" (Hartmut Podlesch)

"Einmal Kreisau und zurück - wurde für mich ein einmalig schönes Erlebnis mit neuen Begegnungen, geistigen Anregungen und einem ganz tollen Programm. Das Treffen von beiden Welten, mit all ihren Herausforderungen, die Tragik der Vergangenheit, und die etwas unsichere Perspektive der Zukunft, habe ich ganz deutlich und stark empfunden." (Peter von Moltke)